Objekt
gehalten: 11 Uhr:
Sehr geehrte ... meine sehr geehrten Damen und Herren!
Wir sind zusammengekommen, um einen Mann zu ehren, der heute als der wohl berühmteste Sohn Anklams gelten kann: Otto Lilienthal.
Am 23 Mai 1848 wurde er, 100 m von hier, in der Peenstraße als erstes von 8 Kindern des Anklamer Tuchhändlers Gustav Lilienthal geboren. Heute vor genau 120 Jahren ist er in der Bergmannschen Klinik, der noch heute existierenden alten Universitätsklinik in der Berliner Ziegelstraße gestorben.
In den nur 48 Jahren, die dazwischen liegen, hat er, so kann man ohne Übertreibung sagen, die Welt verändert.
Lilienthal, Otto – Ingenieur - 23. 5. 1848 - Königliche Klinik - 10. 8. - Wirbelbruch“ lautet der nüchterne Eintrag im Buch des Leichenschauhauses beim Polizeipräsidium Berlin, wo eine gerichtsmedizinische Obduktion stattfand.
Mit heutigen Begriffen war Lilienthal Opfer eines Sportunfalls geworden, allerdings eines Sportes, den es noch gar nicht gab, aber der ihm vorschwebte: Wenn sich junge Leute mit den von ihm erfundenen und gebauten Segelapparaten im sportlichen Wettstreit messen würden, wenn der freie Flug des Menschen alltäglich werden würde, so würde er zur friedlichen Beseitigung aller Grenzen führen, so meinte Lilienthal.
Der letzte Teil der Vision hat sich nicht erfüllt.
Aber wir können heute jede Großstadt der Welt, über alle Grenzen hinweg und an jedem Tag mit dem Flugzeug erreichen. Mit einhundert Fluggästen gemeinsam Tausende Kilometer zu überwinden, das war eher nicht Gegenstand Lilienthalscher Visionen. Und doch:
„Jedes Flugzeug, welches Sie hier am Himmel sehen, geht auf diesen Mann zurück“, sagte vor wenigen Wochen der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Luft und Raumfahrt Rolf Henke auf der Pressekonferenz der internationalen Luftfahrtmesse „Berlin Air Show“. - Otto Lilienthal hat das Geheimnis entschlüsselt. Er hat aus der Bewunderung des Vogelflugs die bis heute gültige Physik des Fliegens gemacht, so, wie sie noch heute die theoretische Grundlage für jeden Flugzeugkonstrukteur ist. Und aus diesem Grund trägt die Gesellschaft heute seinen Namen.
Viel früher schon, 1912, formulierte Wilbur Wright, der US-amerikanische Pionier des Motorflugs über Otto Lilienthal, „Er war der größte unserer Vorgänger und die Welt steht tief in seiner Schuld“.
Aber über die Möglichkeit, mit dem Flugzeug in ferne Länder zu reisen hinaus, hat auch unsere Stadt ihrem großen Sohn heute viel zu verdanken: Wo immer man in diesem Jahr, in dem wir „125 Jahre Flugzeug“ feiern, wo immer man über den ersten fliegenden Menschen, den „bird man“ den „l‘homme lolant“ liest und hört, steht hinter dem Namen „geboren in Anklam, Deutschland“. Heute trägt Lilienthal den Namen unserer Stadt in die Welt. Wohl der Stadt, die sich glücklich schätzen kann, einen solchen Botschafter zu haben.
Und das meint weit mehr als das Flugzeug. Lilienthals Name steht für die guten, die besten Seiten deutscher und hanseatischer Geschichte. Lilienthal war Wissenschaftler, Techniker, Unternehmer, Humanist, Theater-Mäzen und, wie es 1896 in einem Nachruf hieß: „an allen ernsten Kulturbestrebungen seiner Zeit interessiert. Er war ein klarer Denker und Verwirklichungsmensch, und dabei von zartem Gemüt.“ So formulierte der damals sehr populäre Ethiker und Reichstagskandidat Moritz von Egidy.
Nichts besseres kann uns passieren, als wenn wir den Namen unserer Stadt mit dem Namen dieses international so geachteten Mannes verbinden. Und die Stadt tut dies seit vielen Jahren. 1910 weilten auf Einladung des Magistrats der Stadt die Geschwister Otto Lilienthals in Anklam. Am Geburtshaus in der Peenstraße, dort wo heute nur noch eine Büste an sein Geburtshaus erinnert, wurde eine von der Eisengießerei Münther gestiftete Gedenktafel für den Flugpionier enthüllt. Es war dies die erste Ehrung der öffentlichen Hand für Lilienthal, noch bevor Berlin Veranstaltungen und Gedenkstätten plante. Inzwischen erinnert in Anklam Vieles an Lilienthal: Denkmale, das Gymnasium, ein Museum und Vieles mehr. Firmen und Vereine tragen seien Namen. Und wenn unsere Pläne aufgehen, erinnert auch bald der höchste Punkt in Anklam, die Turmspitze seiner wieder aufgebauten Taufkirche an diesen unseren großen Sohn.
Ich danke Ihnen.