Objekt

Archiv-ID:
16854
Objekt:
Artikel
Urheber:
nicht genannt
Titel:
Eine neue Flugmaschine
Datum:
1906
Ausführung:
dreispaltig mit Abbildungen
Quelle:
Illustrierte Aernautische Nachrichten
Status:
digital/eBook
Beschreibung:

Beschreibt bemannte Drachenaufstiege von Lublow, mit Bezug auf Lilienthal:

Unsere Abbildungen zeigen eine neue amerikanische Erfindung, einen von Israel Ludlow gebauten Gleitflieger, der tatsächlich einen Menschen in die Luft gehoben und längere Zeit schwebend erhalten hat. Es ist sein neuer Gedanke, mit ebenen oder schwach gewölbten Flächen , die man drachenartig gegen den Wind einstellt, Menschen hoch zu heben. Schon im Januar 1897 stieg in Amerika ein Offizier, nachdem Versuche mit einer entsprechenden Strohpuppe vorangegangen waren, auf einem Bambusgestell sitzend, mittels Drachen bis zur Höhe eines Hauses. Bei einer Windgeschwindigkeit von 7 m in der Sekunde wurden vier hargravsche Seidendrachen verwendet.; der erste hatte 2, der zweite 3, der dritte 8, der vierte 14 qm Fläche. Hinter dem Letztgenannten befand sich der Sitz des Beobachters, Leutnants Wife. An Gewicht hatten die vier Drachen mit einer Gesamtfläche von 28 qm etwa 103 kg zu heben.  Diesem Erfolg eiferten in England der jetzige Major, baden- Powell und in Russland Leutnant Illjanin nach, die beide viele glückliche Aufstiege im Drachen vollführt haben.

Bei den aeronautischen Luftschiffen, die ohne Anwendung eines Gasballons mit Hilfe von Maschinen empor steigen, ist das schwierigste die Erhaltung der Gleichgewichtslage. Schon Anfang der achtziger Jahre hat ein Deutscher mit Leinwandflächen Fliegversuche angestellt, die auch schließlich von Erfolg gekrönt worden. Sind. Der Ingenieur Lilienthal hat mit seinem Flugapparat wiederholt Flüge oft über mehrere Hundert Meter weit ausgeführt., bis er am 12. August 1896 sich in der Luft überschlug und, zu Boden stürzend, das Genick brach. Sein tragischer Tod hat die Deutschen zwar davon abgehalten, seine Versuche wieder aufzunehmen; aber desto mehr Anhänger fand er in Amerika und neuerdings auch in Frankreich. Einer seiner eifrigsten Schüler namens Pilcher wurde wenige Jahre später von demselben Schicksal ereilt wie sein Meister. Der eingangs erwähnte Gleitflieger der Brüder Wright, ebenfalls aus den nach dem Muster Lilienthals gemachten Versuchen entstanden, ist nunmehr durch die Anwendung von Motorkraft vervollkommet worden. In Frankreich hat seit längerer Zeit Archdeacon Gleitflüge ausgeführt. Bei einem Vortrag, den er im Oktober vorigen Jahres gelegentlich eines internationalen Luftschifferkongresses in Anwesenheit vieler Deutscher hielt, sprach er sein Bedauern darüber aus, daß Lilienthal in seiner Heimat so wenig Anhänger gefunden habe.

Die Ludlowsche Maschine erinnert in ihrer Konstruktion an die Archdeacons in Paris. Auch ihre Aufstiege erfolgen so wie die der letzteren. Der hoch zu hebende Mann nimmt seinen Platz etwas hinter der Mitte des Aeroplans ein. Mit Hilfe eines auf einem Fluss fahrenden Motorboots wird an einem Kabel die Flugmaschine mitsamt dem Menschen in die Luft gehoben. Auf der einen Abbildung ist das Fesselkabel deutlich sichtbar. Die vorn und oberhalb befestigten, senkrecht stehenden Flächen dienen zur Erhaltung der Stabilität in horizontaler Richtung. Eine Steuerung in vertikaler Richtung ist nicht vorgesehen, weil ja die Maschine vorläufig lediglich von einem Boot auf dem Hudson gezogen wird und durch die bei der Bewegung sich komprimierende Luft drachenartig hochsteigen soll. Ludlow hat bei seinem Aeroplan eine Fläche von 63 qmauf einem verhältnismäßig geringen Raum durch geschickte Anordnung für ein Traggewicht von etwa 126 kg eingerichtet. Dieses Gewicht verteilt sich auf die Maschine und den Luftfahrer in der Weite, dass auf die erstere 56 kg entfallen.

Nachdem viele Aufstiege ohne Unfall gelungen waren, hatte den austeigenden Jüngling beinahe Lilienthals Geschick ereilt. Durch einen entgegenkommenden, schlecht manövrierenden Dampfer wurde das Schleppboot gezwungen, eine plötzliche Wendung zu machen. Dadurch kam die ganze Maschine in eine falsche Lage zum Winde und stürzte – glücklicherweise nicht auf die Erde, sondern in den Fluss. Der empor steigende Mann mit Namen Hamilton kam ohne verletzungen davon. Dasselbe Schicksal, das übrigens zufällig kinematographisch festgelegt ist, hat im Sommer vorigen Jahres auch Archdeacon in der Seine ereilt. Die betreffenden Bilder steigen den Aufstieg des Fliegers. Dieser stürzt schließlich in den Fluss mitsamt seinem Führer, der sich schwimmend ans Ufer rettet.