Objekt

Archiv-Nr.:
z435
Urheber:
Derix, Wilhelm
Titel:
Rede zur Einweihung der Lilienthalfenster in der Nikolaikirche Anklam
Datum:
2014/12/19
Ausführung:
verlesen, da kurzfristig verhindert
Quelle:
Urheber
Status:
digital/eBook
Beschreibung:

Der Chor der 1945 zerstörten Taufkirche Otto Lilienthals wurde durch den englischen Glaskünstler Graham Jones als Gewinner eines durch die Stadt Anklam ausgeschriebenen Wettbewerbes durch das Glasstudio Derrix neu gestaltet.(3 Fenster). Graham Jones (London) war zur Übergabe im Rahmen einer feierlichen Veranstaltung anwesend. Die Rede von W. Derix musste auf Grund seiner kurzfristigen Verhinderung verlesen werden:

"leider muss ich meine Teilnahme an den Feierlichkeiten zur Einweihung der Fenster von Graham Jones kurzfristig absagen.

Gestern Abend um 19 Uhr als ich schon auf dem Weg nach Berlin war, rief mich meine Tochter an, dass sie mich dringend für die Abklärung der Vertragsbedingungen eines neuen Auftrages für Disneyland Shanghai, China benötige.  Es sind dort offensichtlich Vertragsklauseln enthalten für die sie nicht die Erfahrung hat, die ich in China teuer gesammelt habe.  Sie bat mich dringendst zurück zu fahren, was ich dann auch tat.  Meine Termine in Berlin habe ich dann heute morgen abgesagt.

Ich bitte um Verständnis, und freue mich schon sehr darauf die Fenster dann bald persönlich, vielleicht mit Ihnen zusammen betrachten zu können.

Bis dahin wird Anklam Stadtmitte hoffentlich von Südwesten her einfacher erreichbar sein.

Ein großes Kunstwerk ist vollendet, was in mir oft zwiespältige Gefühle hervor ruft.

Einerseits freue ich mich über die großartige farbliche und auch grafische Wirkung und andererseits ist wieder ein "Kind" unserer Werkstatt flügge geworden und hat seinen Platz in der Welt gefunden.

Besonders bei Ihnen in Anklam war die Entstehungszeit eine sehr lange und vor allem Sie, sehr geehrte Frau Thurow haben sich außergewöhnlich engagiert, damit dieses Kunstwerk aus Glas realisiert werden konnte.

Es begann vor einigen Jahren mit einem Besuch meiner Tochter Barbara, die Sie auch herzlich grüßen lässt, bei Ihnen und bei Herrn Wittig.  Es wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, der einstimmig zu Gunsten des, auch schon in Deutschland renommierten Künstlers Graham Jones, aufgewachsen in Coventry jetzt in London lebend, entschieden wurde.  Er hat sich international einen Namen gemacht mit seinen, teilweise grafisch raffinierten Fenstern, aber in unserem Land vor allem mit seinen opulenten und teilweise sehr exklusiven Farbkompositionen, die er ganz offen an Chagall anschließen will. 

Er hat in Deutschland so wichtige Kirchen wie in Dortmund die Melanchthonkirche mit vielen großen Fensterflächen ausgestattet, die Chorfenster in der Nikolaikirche in Sontra, die Chorfenster in der Marienkirche in Heiligenstadt, die katholische Pfarrkirche in Brandenburg, einen figürlichen, viel beachteten Glasmalereizyklus in St. Martin in Cochem und bestimmt fünfzehn andere große und kleinere Kirchen mit seinen optimistischen malerischen Farbkompositionen ausgestattet. 

Seine Arbeiten sind so lebendig, manchmal witzig, manchmal heiter, aber immer herzenswarm, so wie er selbst ist.

Nutzen Sie die Gelegenheit ihn heute selbst kennen zu lernen.  Eine Begegnung mit ihm ist für mich immer ein großer Gewinn, mit seiner Selbstironie und seiner großen Menschlichkeit.

Leider gibt es in unserem Lande keine Künstler, die so unmittelbar mit Primärfarben umgehen wie er und beim Betrachter eine so direkte Reaktion hervorrufen.

Bei der letzten Fensterübergabe mit ihm in Heiligenstadt sah ich viele Menschen mit Tränen in den Augen, vor lauter Freude über die warmen, seelentröstenden Farben.

Gerne hätte ich dieses Erlebnis in Anklam in Gemeinschaft mit den Besuchern der heutigen Veranstaltung wieder erlebt, aber unser Wirtschaftssystem erlaubt einem Unternehmer, auch wenn er mit Kirche und Kunst zu tun hat, sogar in der Weihnachtszeit oft kein Innehalten.  Er muss immer für das Weitergehen und die Zukunft voraus denken und arbeiten.  In dieser Eigenschaft sind wir uns ähnlich.

Bewundernd konnte ich feststellen, dass Sie Ihre Pläne, die Sie mir vor einigen Jahren offenbart haben, den Marktplatz in Anklam wieder wohnlich zu machen und zum Herzen der Stadt, umsetzen konnten.  Vor einigen Tagen war ich in Anklam und konnte beobachten, dass die hässlichen Architekturklötze größtenteils verschwunden sind.

Nun sind als Zeichen der Zuversicht auch diese drei Fenster verwirklicht und eingebaut.

Die Umsetzung erfolgte in höchster Ausführungsart.  Die Farben bestehen aus echten mundgeblasenen Antikgläsern der Firma Lamberts® in Waldsassen.  Diese Glashütte ist weltweit noch die einzige Glashütte, die solche Gläser herstellen kann.  Die Gläser bestehen aus bis zu drei Schichten.  Wir haben die Schichten teilweise mit Asphaltlack, teilweise mit flüssigem Bienenwachs abgedeckt und dann mit der äußerst gefährlichen Flusssäure abgeätzt.  Hierfür haben wir vor einigen Jahren extra eine Ätzanlage entwickelt und gebaut, die die Gesundheit unserer Mitarbeiter schützt und wir neutralisieren nach Gebrauch, die Säure und Reinigen sogar die von Säuredämpfen verunreinigte Abluft mit hierfür entwickelten Filteranlagen.  Aus diesem Grunde kommen einige amerikanischen Künstler zu uns, die gerne die teilweise von uns selbst entwickelten Ätztechniken nutzen möchten.  In den USA und auch in England geht dies nicht, da es dort keine solchen Anlagen gibt. 

Nachdem wir die Ätzung durchgeführt haben, kontrollieren wir, ob es eine Kristallisation auf den Glasoberflächen gegeben hat, diese tritt ein, wenn in Hobbymanier mit normal temperierter Säure geätzt wird.  Wenn dies dann von unseren Spezialisten positiv festgestellt wird, werden die Scheiben auf einen Lichtkasten gelegt und dort in mehreren Schichten konturt, gewischt, lasiert und bis zu zwei Mal in unseren großen Flachbettöfen eingebrannt.

Danach werden die passgenau zugeschnittenen Scheiben auf eine Trägerscheibe aufmontiert und zwar ebenfalls mit heißem Bienenwachs.  Für diesen Zeitpunkt laden wir den Künstler, Graham Jones, ein zu kommen.  Er kommt dann kurzfristig für zirka zwei bis drei Tage, korrigiert jedes Fall durch und addiert manchmal mit seiner Handschrift einige Farbakzente oder schwarze Konturen, manchmal zwei bis drei Mal.  Wenn die Abnahme erfolgreich verlaufen ist, werden die Scheiben dann noch einmal bei ca. 620° gebrannt und dann mit einem H-Profil Blei verbleibt.  Die Stoßpunkte werden mit Zinn verlötet und die Bleie von beiden Seiten mit einer Mischung von Leinölkitt und Kreide verkittet.

Die Verkittung härtet innerhalb von drei Wochen aus und sorgt für eine Wasserdichtigkeit für die nächsten siebzig bis einhundertfünfzig Jahren.

Die Montage habe Sie selbst hier erlebt und Sie stehen nun vor dem vollendeten Werk und sind hoffentlich positiv überrascht von der Glaswirkung.  Man kann Fenster auf Papier oder auch auf Fotos kaum darstellen.

Fenster in gotischen Kirchen haben nicht nur den Zweck die Fensteröffnung abzudichten, sondern sollen einen Abglanz der himmlischen Herrlichkeit darstellen.

Sie sind das Auge des Gotteshauses und die farbigen Lichtstrahlen sollen unser Herz da das Licht von der Sonne über Millionen von Kilometern hierher eilt.  Für uns Menschen sind solche Entfernungen eine andere nicht erfassbare Dimension.  Licht und Musik können im Menschen eine religiöse Botschaft vermitteln, die Worte nicht vermögen.  Der Verstand kommt bei solchen Dimensionen an seine Grenzen.  Die Wirkung ist oft höher als unsere Vernunft. 

Der evangelische Kirchbautag, der im Oktober in München statt gefunden hat, drückt es so aus, dass Kunst eine wichtige Aufgabe in der Vermittlung des Erlösungsgedankens in unserer christlichen Religion darstellt.  Die Musik kann das Unerklärliche, das Numinose vermitteln. 

Ihre Fensteröffnungen und das ganze Gebäude wären ohne unseren christlichen Grundwerte nicht entstanden.  Unsere Gesellschaft in Europa wird durch die christlichen Grundwerte zusammen gehalten, auch wenn wir dies oft nicht wahr haben wollen und für uns selbst sehr gerne das Recht in Anspruch nehmen, nur unsere eigenen Interessen leben zu wollen und den Altruismus an die Gesellschaft delegieren.

Dabei vergessen wir, dass wir nur alle zusammen diese Gesellschaft bilden können.  Sie braucht einen Leim und der kann nur durch einen von Menschen nicht beeinflusste Ethik gebildet werden.  Dazu braucht es nicht unbedingt die christliche Religion, aber diese, aufrichtig gelebt, macht es sehr viel einfacher.

Nicht vergessen möchte ich natürlich meinen Dank an Sie, dass wir diese schöne Aufgabe für Sie durchführen durften.  Vielleicht ist es möglich meine Gedanken zu gehör zu bringen.

Nun wünsche ich eine gute Feier und frohes Weihnachtsfest, dass wir mit unserer ganzen Familie als fröhliches Geburtstagsfest des Kindes Jesus feiern.

Mit herzlichen Grüßen

Ihr Wilhelm Derix

DERIX GLASSTUDIOS GmbH & Co.KG
(Päpstliche Hofglasmalerei seit 1908)
Platter Strasse 94
D - 65232 Taunusstein-Wehen
Tel:  +49 - 6128 - 966 80
Fax: +49 - 6128 - 966 866
www.derix.com
 
Derix Glasstudios GmbH und Co. KG
Amtsgericht Wiesbaden HRA8913
Komplementaerin: Wilhelm Derix GmbH
Amtsgericht Wiesbaden HRB22136
Geschaeftsfuehrer Barbara Derix, Rainer Schmitt