Objekt

Archiv-ID:
17138
Objekt:
Objektdokumentation
Urheber:
Museumsakte
Titel:
Sammlung von Steinbaukästen im Otto-Lilienthal-Museum
Datum:
2017
Ausführung:
Aufstellung
Quelle:
eigen
Status:
digital/eBook
Beschreibung:

Die ursprüngliche Idee Gustav Lilienthals, der "Steinbaukasten", wurde zunächst unter dem Titel "Das Bauen. Gerogens Neuer Kindergarten" angeboten. Ein anderer "Lilienthal-Baukasten" aus der Vor-Richter-Ära ist nicht bekannt. Vermutlich gab es eine wirtschaftliche Abmachung zwischen Georgens und Lilienthal entweder über die Nutzung der Idee durch Georgens bzw. die Nutzung des Namens "Georgens" durch Lilienthal. Einen derartigen Baukasten besitzt das Museum (id 9570). 1880 verkauften die Lilienthals unter Vermittlung von Georgens die Idee an Friedrich Adolf Richter, dessen Verlagsanstalt für ihn arbeitete. Dieser bot die Baukästen zunächst weiter unter der Schutzmarke "Eichhörnchen" an, jetzt aber mit der Ergänzung "für Kinder von 7-9 Jahren. Central-Verlag von Unterrichts- und Beschäftigungsmaterial. Berlin Dr. Richter Leipzig" (id14048), mit altem Layout, nun aber bereits in der späteren Form mit einzuschiebendem Deckel. Das Museum besitzt einen weiteren Kasten mit dem Titel "Das Bauen", aber bereits mit verändertem Layout (id9579). Später wurde daraus der berühmte Anker-Steinbaukasten. 1886 ging Gustav Lilienthal mit einem eigenen Steinbaukasten nochmal in Konkurrenz zu Richter, gab die Herstellung aber nach Rechtsstreit mit Richter auf. Von diesen Kästen sind nur wenige erhalten. Das Museum besitzt einen (id 9545). Darüber hinaus besitzt das Museum eine umfangreiche Sammlung von Steinbaukästen aus verschiedenen Produktionszeiten. nach Hardy lassen sich die Kästen an Hand der "Druckzeichen" (auf Heften und Abbildungen) identifizieren: "8702 A" bedeutet: "im Februar 1887 für Amerika gedruckt", gefolgt  von der Auflagenhöhe in 1000. Weitere Datierungen: ab 1888 wird aus "Patent-Baukasten" "Richters Anker-Steinbaukasten. Unkar ist der Beginn des typischen von C. Walther gezeichneten Titelbildes 1883?, Die Ablösung der Eichhörnchen-Trademark durch den Anker (nach Hardy 1888 -1898 beide parallel: Eichhörnchen oben, Anker unten)

Zum beitrag Lilienthals: https://lilienthal-museum.museumnet.eu/archiv/objekt/18122

Neuerwerbung: 9576, noch nicht in Aufllistung

Richters Anker-Steinbaukasten – Allgemeine Informationen

M. Ribbe, Otto-Lilienthal-Museum

Die bekannten Anker-Steinbaukästen, die vor dem Ersten Weltkrieg von Friedrich Adolf Richter erfolgreich vertrieben wurden, waren ein sehr beliebtes und international wertgeschätztes Markenspielzeug, das mit seiner Qualität und seinem Verdienst für die Kindererziehung überzeugte. Der große Erfolg wurde später jedoch durch den Ersten Weltkrieg und den Tod Richters stark eingeschränkt. Die Kästen selbst wurden für gewöhnlich mit dem Anker als Firmenzeichen verkauft. Es gibt jedoch auch ältere Kästen, die mit dem früheren „Schutzmarke“nzeichen (später auf den mehrsprachigen Kästen „Trademark“), dem Eichhörnchen, produziert wurden. Ob dieses auf den Entwurf Gustav Lilienthals zurückgeht, ist nicht gesichert. Ebenso existieren Kästen, bei denen beide Markenzeichen auf der Vorderseite des Deckels parallel verwendet werden. Die abgebildeten Firmenzeichen, die strenge Systematik Richters, als auch die später eingeführten Drucklabel (jjm) dienen Anker-Historikern heute zur Datierung. Des Weiteren ist zu erwähnen, dass die Steinbaukästen relativ preisintensiv waren und auch Bauvorlagen, Einpackvorlagen, Figurenblätter und Schnitthefte beinhalteten. (G.F. Hardy, S. 1f, 48)

Den Wert der Bausteine als erzieherisches und elementares Spielzeug erkannte ursprünglich der Gründer des ersten Kindergartens, Friedrich Fröbel. Seiner Vorstellung nach sollte es Kindern mit Hilfe einer zweidimensionalen Vorlage gelingen, einen dreidimensionalen Entwurf zu bauen, der sich aus den verschiedensten Formen von Steine zusammensetzen sollte.

In den 1870er Jahren wurde der Erzieher Dr. Jan Georgens durch sein Magazin „Neuer Kindergarten“ und die dazugehörige Serie von Spielzeug, hauptsächlich bestehend aus Legespielen, bekannt. Er war es auch, der Gustav Lilienthal 1877 dazu beauftrage, Entwurfsarbeiten für seine neue Serie von Spielzeugen zu entwerfen. Lilienthal entwickelte daraufhin eine Idee von Bauklötzen nicht mehr aus Holz, wie bei Fröbel, sondern aus künstlichem Stein. Diese waren schwerer und hatten eine rauere Oberfläche, weswegen die damit erzeugten Bauwerke nicht so leicht auseinanderfielen, wie Bauwerke aus Holz oder Keramik. Gemeinsam mit seinem Bruder Otto Lilienthal entwickelte Gustav die künstlichen Steine, die aus Sand, pulverisiertem Kalk, Leinöl als Bindemittel und verschiedenen Farbstoffen bestanden. Da es den Brüdern nicht gelang, die Steine zu einem wirtschaftlichen Erfolg zu machen, verkauften sie ihre Erfindung 1880 an Richter. (G.F. Hardy, S. 5). Vermutlich gab es keine tatsächliche „Lilienthal-Produktion“. Bekannt sind nur Kästen mit dem Label „Georgens. Das Bauen“, mit dem Eichhörnchen. Welches Verhältnis zwischen Lilienthal und Georgens bestand, ist nicht bekannt. Ob Lilienthal angestellt war, für Honorar arbeitete oder unentgeltlich zur Förderung seiner Kunstgewerbeschule mitarbeitete, ist nicht bekannt. Der Name Lilienthal taucht nur als Mitarbeiter im "Neuen Kindergarten" auf. Nicht in den "Das Bauen"-Kästen. Der Verkauf an Richter erfolgte jedoch durch die Lilienthals, scheinbar durch Vermittlung von Georgens (siehe langjährige juristische Auseinandersetzung mit Richter). Gustav Lilienthal spricht später über den verdienstvollen Mann, auch wenn er ihnen persönlich jedoch sehr geschadet hat.

Friedrich Adolf Richter war bereits ein bekannter Fabrikat für Arzneiprodukte und erkannte das Marktpotential der Erfindung. In Rudolstadt entstand ein neuer Fabrikationskomplex für die Produktion der Baukästen. Weiterhin engagierte er zahlreiche Künstler, Illustratoren und Architekten für die Gestaltung der Bauvorlagen und der Kästen.

Der vorhandene Georgens-Baukasten hat ein Steinformat (Raster) von 25 mm. Über die frühen Richter-Baukästen von 1880 bis 1884 ist heute nur wenig bekannt, da die von Richter innovierte Serie der Steinbaukästen erst ab 1884 zum Verkauf stand. Die anfänglichen Steine hatten eine Länge von 20 mm. Diese Steinfamilie wird heute als Kleines Kaliber (KK) bezeichnet. Eine weitere Steinfamilie besaß, wie ursprünglich, 25 mm Würfel und ist deshalb als Großes Kaliber (GK) bekannt. Damit vergrößerte sich das Volumen der Steine und die Kästen wurden größer und schwerer. Ab dem Jahr 1884 wurden vier Kastenserien (2x20mm KK u. 2x25 mm GK) eingeführt, die unter der Bezeichnung „Alte Folge“ (AF) ausgewiesen sind. In den folgenden vier Jahrzehnten wurden weitere Kastenserien herausgebracht, die „Neue Folge“ (NF), die „Neue Reihe“ (NR) und die „Neue Serie“ (NS). Darüber hinaus vermarktete die Firma Richter im Jahr 1886 erstmals einen Steinkatalog. Er enthielt 175 verschiedene GK und 63 unterschiedliche KK Steine und war in 13 Sprachen verfügbar. Dies bot nun auch die Möglichkeit, einzelne Steine zu kaufen. Alle Steine dieses Kataloges erhielten eine individuelle Nummer zur Bezeichnung. Aufgrund der Tatsache, dass in diesem Katalog jedoch auch Steine zu erwerben waren, die bisher in keinem der vorhandenen Baukästen vorkamen, wurde das Wirrwarr um die Bezeichnung und Nummerierung der Steine und Kästen lediglich komplizierter. (G.F. Hardy, S. 5f)

In die Zeit 1885-1886 fällt auch die „zweite“ Baukastenproduktion durch Gustav Lilienthal (und seinen Bruder), die nach verlorenem Rechtsstreit mit Richter eingestellt wurde, wobei Richter Maschinen und neue Ideen übernahm.

Im Jahr 1894 wurde Richters „Neue Folge“ auf den Markt gebracht. Wissenswert ist, dass die Reihe GK-NF gerade Nummern von 0 bis 34 erhielt und die Reihe KK-NF andererseits ungerade Nummern von 1 bis 21. Damit einher ging die Umnummerierung aller Steine. Die Gründe dafür sind bis heute unbekannt. Nach dem Tod Richters 1910 wurden die KK-Kästen aus der Reihe entfernt, obwohl es die Ergänzungskästen noch circa 15 Jahre danach gab. Bezüglich der Kastenreihen, die während des Ersten Weltkrieges eingeführt worden waren, ist zu sagen, dass diese eindeutige Nummern erhielten. Die Kästen, die mit 100 beginnen, ergeben die Neue-Reihe-Kästen, jene die mit 200 anfangen, stellen die Amerikanische-Landhäuser-Reihe dar, Kästen, die mit 300 beginnen, bilden die Landhaus-Reihe und Kästen, die mit 400 anfangen, werden als die Festungs-Reihe bezeichnet. Die Kästen der Neuen Serie, die in den 1920er Jahren eingeführt worden waren, sind Wiederauflagen der Reihe GK-NF mit neuen Vorlagen und zum Teil variierenden Bogensteinen. (G.F. Hardy, S. 10)

Mit der zunehmenden Komplexität der Steinbaukästen stieg auch das Interesse und die Wichtigkeit des Hobbymarktes für Erwachsene. Im Zuge dessen wurden ab 1887 beispielsweise Spezialbau-kästen (das Haus des Papstes mit 2608 Steinen; die große romanische Kirche mit 4058 Steinen, die große Brücke mit 1817 Steinen, u.v.m.) herausgebracht. (G.F. Hardy, S. 6f) Im Jahr 1901 wurde das Angebot um zusätzliche Metallteile für Brücken (Br.) und um Dächer (DS= Dach Steine) erweitert. Die Kästen mit den bunt angestrichenen Metallteilen bekamen ungerade Nummern, wie die KK-NF Reihe, da letztere nicht mehr zu Hauptproduktlinie gehörte. (G.F. Hardy, S. 10)

Zudem ist anzumerken, dass Richter auch der erste Spielzeughersteller war, der den Einzelhandels-Preis für seine Waren festlegte. Der Preis für jeden Stein und jeden Kasten war stets einheitlich. Darüber hinaus war es möglich, kleinere Kästen durch den Kauf eines Ergänzungskastens zu einem größeren Kasten zu erweitern. Selbst in diesem Fall stimmte der Preis des größeren Kastens mit dem Gesamtpreis des kleineren Kastens und des Ergänzungskastens überein. (G.F. Hardy, S. 7) Zum Beispiel ist der Kasten GK-NF Nr. 12A eine einlagige Ergänzung für den Kasten GK-NF Nr. 12 (mit dem Ergebnis GK-NF Nr. 14). Es existieren allerdings auch mehrlagige Ergänzungskasten. Kasten Nr. 12B ist eine zweilagige Ergänzung für den Kasten Nr. 12 (mit dem Ergebnis Kasten Nr. 16) und Kasten Nr. 12D ist ein vierlagiger Ergänzungskasten für den Kasten Nr. 12 (mit dem Ergebnis Kasten Nr. 20). (G.F. Hardy, S. 10)

Quellen:

http://www.ankerstein.org/

http://www.ankerstein.ch/archiv/

George F. Hardy: „Richters Anker-Steinbaukasten“:

deutsch: http://www.ankerstein.ch/downloads/CVA/Buch-PC.pdf

Digitalisate: