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Archiv-ID:
15406
Objekt:
Artikel
Urheber:
nicht genannt
Titel:
Groß-Lichterfelde, 7. Juni
Datum:
1894/06/08
Ausführung:
zur Aufschüttung des Fliegeberges
Quelle:
Teltower Kreisblatt, Nachrichten aus dem Kreise und der Provinz, S. 402
Status:
Kopie
Beschreibung:

Autor: Sign. "sl"
„Groß- Lichterfelde, 7. Juni.
Zu den Vorzügen, die unser Ort bereits genießt, wird binnen Kurzem ein ganz neuer, ungeahnter und einziger hinzutreten. Auf dem Terrain des Lichterfelder Bauvereins nahe der Anhalter Bahn wird nämlich eine „Flugschule“, eine Anstalt zum Fliegenlernen oder, wenn man sich anders ausdrücken soll, ein Uebungsplatz für Flugversuche angelegt. Dort wird ein Hügel von 50 Fuß Höhe bei einer Steigung von 1 zu 1½, das heißt in einem Winkel von 34 Grad aufgeschüttet, der am unteren Umfange 700 Fuß mißt und auf dem Gipfel auf 12 Fuß Fläche abgestumpft wird. Die Höhe bekrönt ein Bretterhäuschen zur Aufbewahrung der Flugapparate. Der Maschinen-Ingenieur Otto Lilienthal ist der Erfinder einer Flugmaschine, die als ganz neu, mit gewölbten Flügeln, welche einen erheblichen Fortschritt bedeuten, und selbstverständlich patentirt, geschildert wird, und Herr Georg Siegel, Ingenieur und Unternehmer zu Charlottenburg, leitet die Aufschüttung des Hügels. Die Arbeiten an demselben sind mit einigen Schwierigkeiten verbunden. Herr Siegel sucht sie dadurch zu überwinden, daß er die mit Erdmasse beladenen Lowrys durch Pferde, die bergabwärts gehen und an Seilen ziehen, die über Rollen laufen, in die Höhe bringt. Die Flugversuche des Herrn Lilienthal sind bekannt. Zur Höhe strebt er vorab noch nicht; ihm genügt es vorläufig, gefahrlos zur Tiefe zu gelangen. Deshalb bedarf er der geneigten Ebene. Er beabsichtigt, auf dem Groß-Lichterfelder Hügel in ungefähr acht Tagen sich und seine Flugmaschine in praktischer Anwendung vor der Oeffentlichkeit zu zeigen, zu welchem Zwecke der Platz allerdings vorzüglich gewählt ist. Derselbe verspricht auch als Aussichtspunkt sehr besucht zu werden, denn von dort aus überblickt man ganz Lichterfelde, Zehlendorf, Teltow, Osdorf, Marienfelde, Lankwitz, Mariendorf, Tempelhof, Schmargendorf, Steglitz, Dahlem, und wenn man einen Feldstecher anwendet, so reicht der Blick bis Schöneberg und Berlin. Insofern ist der Hügel unter allen Umständen eine ebenso nützliche, wie imponirende Anlage. Wie der Einäugige im Lande der Blinden König ist, so erscheint in der absoluten Ebene ein Hügel von 50 Fuß Höhe als eine Alles beherrschende Position. Ueber die von seiner Spitze aus zu unternehmenden Luftreisen hoffen wir baldigst nähere Mitteilungen machen zu können.“

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