Objekt

Archiv-Nr.:
A171
Objekt:
Urheber:
Kuhlbars
Titel:
Von Lilienthals letztem Flug
Datum:
1936/08/10
Ausführung:
Augenzeugenbericht des Droschkenkutschers, der den Verletzten transportierte.
Quelle:
Westhavelländische Tageszeitung/Rathenower Zeitung
Status:
Kopie
Beschreibung:

"In unserer Sonnabend-Ausgabe veröffentlichten wir Artikel, die dem Andenken Otto Lilienthals galten. Heute schreibt uns unser langjähriger Leser C. Kuhlbars folgendes:
Auf dem Gollenberg bei Rhinow, wo die Reichssegelschule auf historischem Boden der heutigen Generation und den kommenden Geschlechtern bei ihrer Arbeit für den nationalsozialistischen Staat ein prächtiges Heim bietet, liegt die Absturzstelle des deutschen Pioniers der Luftfahrt. Die Leser dürfte es interessieren, noch weitere Einzelheiten von dem letzten Tag dieses unverzagten Segelfliegers zu erfahren, dessen Verdienst es ist, den Flug der menschen bahnbrechend gefördert zu haben und der leider allzu früh aus seinem Wirkungskreis herausgerissen wurde.
Es war der 9. August 1896. Ich betrieb zu der Zeit mein Droschkenfuhrgeschäft und hielt mit meiner Droschke Nummer 15 am Bahnhof, auf Kundschaft wartend. Nach Ankunft des Berliner Zuges, ungefähr 9 Uhr, wurde ich von einem Herrn zur Fahrt nach Stölln aufgefordert. Anfänglich war mein Fahrgast sehr schweigsam und in Gedanken versunken, bis er mich auf in ziemlicher Höhe schwebende Störche aufmerksam machte und äußerte: "Genau so will ich heute auch schweben." Durch diese Aeußerung wußte ich, daß ich den sogenannten "fliegenden Menschen", von dem ich schon gelesen hatte, fuhr. In Rhinow wurde er jubelnd begrüßt. Dann ging die Fahrt zunächst bis zum Gasthof Herms in Stölln, wo wir den hauptsächlich aus Bambusstäben hergestellten Apparat mit auf den Wagen nahmen und dann am Fuße des Gollenberges absetzten. Ich fuhr zum Gasthof zurück, um die Pferde einzustellen und dann ebenfalls bei den Flugversuchen zuzusehen. Leider kam ich nicht dazu, denn schon nach ganz kurzer Zeit kam die Nachricht von dem Unglück und ich mußte eilig zur Unfallstelle, die auf halber Bergeshöhe war, kommen. Hinauf bin ich etwas schräg gefahren, dann wurden die Pferde vom Wagen entfernt, der Verunglückte in den Wagen gebettet, die Räder (weil ohne Bremsklötze), wurden festgemacht und dann von hilfsbereiten Zuschauern der Wagen langsam am Berg runtergleiten gelassen. Es war alles gut verlaufen und langsam fuhren wir nach dem Gasthof Herms zurück. Ich entsinne mich noch heute, daß Herr Lilienthal trotz des schweren Unfalls während der Fahrt noch mehrmals äußerte: "Ich lebe ja noch, ich bin Otto Lilienthal aus Lichterfelde." Ich selbst habe nicht gedacht, daß der Tod so nahe war."